Ein Nachruf
Vorsagen lässt er sich ja nicht.
Erfolgsmanager Dieter Hoeneß, im Folgenden nur noch Dieter genannt und nach eigener Aussage unter den vorgefundenen Umständen in Berlin mindestens ebenso erfolgreich wie sein großer Bruder in Bayern, hat das gemacht, worauf man seit Jahren sehnlich gewartet hatte: Er hat sich überflüssig gemacht, und zwar so überflüssig, dass er inzwischen nicht nur sich selbst sondern auch allen andern, die sich bei Hertha mit Erstliga-Fußball beschäftigen, im Weg steht, obwohl er sich mit seiner Ankündigung, sein Engagement 2010 zu beenden, klar Abseits gestellt hat.
Anstatt nun dem Trainer den Rücken zu stärken und sich mit ihm, Schiller und Preetz zusammen zu setzen und nach Kassenlage und Maßgabe des Trainers, die Planungen für die nächste Saison zu besprechen und seine langjährigen Erfahrungen, sprich ausführlichste Fehleranalyse, weiter zu geben und vor Allem die Kompetenzen klar abzugrenzen, lässt er lancieren, dass er Preetz nichts zutraut, vor allem nicht die Entscheidungsschwäche des Trainers auszugleichen, aber er vielleicht noch mit geduldigem Bitten umzustimmen wäre, und so steht er nun im Mittelkreis seines Anstoß erregenden Egos als entblößtes herthanisches Machtzentrum, im festen Glauben noch alle Fäden in Händen zu halten, aber die Strippen hängen mittlerweile nur noch lose herum oder sind heillos verheddert, so dass zum Ziehen eigentlich nur noch die Konsequenzen bleiben.
Gib Gummi!
„Ich werde bis zum letzten Tag meines Vertrages Gas geben“, drohte Hoeneß im kicker und geht dann auch zum gewohnten Geschäftsgebaren
über, wo Eigeninteressen hinten angestellt und alle Kräfte auf das letzte Spiel fokussiert werden müssen, um einen krönenden Abschluss der Saison zu gewährleisten. Was mit etwas Phantasie aber auch als Bewerbung „auf Schalke“ verstanden werden könnte, mehr Gas kann man zurzeit nirgends geben. Erfahrung mit dem Verbrennen auch größerer Summen hat er ja hinreichend sammeln können, die Zusammenarbeit mit Alpha-Männchen auf den Trainer- und Präsidentenposten hat er in grauer Vorzeit beim VfB mit Daum und MV auch schon mit Erfolg durchexerziert.
Dietha BSC, oder der regierende Mittelstürmer
Bei Hertha hat der geschäftsführende Manager jeglichen Rückhalt des Präsidiums um Werner Gegenbauer mit selbstverliebten Alleingängen leichtfertig verspielt, und seine Witze über Trainer Lucien Favre, die man eben nicht machen darf, wenn sie geeignet sind, die Autorität des Trainers zu untergraben, gehen von der Gegengeraden betrachtet etwa so: Lulu, sprich Lülü mit Betonung auf der zweiten Silbe, – klingt für sich schon wie eingepullert – allein auf dem Klo zwischen Urinal, Kabine und Kotzbecken macht sich richtig ein, saut sich völlig voll, weil er sich nicht entscheiden kann, ob er pissen, kacken oder kotzen muss, was in Anbetracht von Dieter, der zur Rettung in seiner ganzen könnerhaften Art die Klofrau schicke würde, aber nur zu verständlich scheint.
Das ist auf jeden Fall zum Rotz und Wasser heulen.
Da muss dann wirklich Alles raus!
Eine ausgiebige Champagnerdusche hätte dagegen sicherlich wahre Wunder wirken können und vor allem die Geruchsbelästigung in Grenzen halten bei beherrschbarer Gefahr sauer aufzustoßen.
Aussicht auf Balkon
Der Sturm auf den Roten Rathausbalkon muss erstmal für mindestens ein Jahr verschoben werden, wobei allerdings noch erwähnt werden müsste, dass das Rote Rathaus überhaupt keinen brauchbaren Balkon zum Abfeiern hat. Da müsste man wahrscheinlich wieder auf das Schöneberger Rathaus zurückgreifen, dessen Balkon auch das nötige historische Flair mitbringt („Ich bin ein Berliner!“ und „Berlin, nun freue dich!“) und wo auch noch was gut zu singen ist.
Vielleicht haben einige Spieler auch bei dem Gedanken an die Meisterfeier auf dem Rathausbalkon die Hosen schon randvoll gehabt, es wurden Gerüchte gestreut, dass man mit Wowi den Schampus stilecht aus gut eingespielten Töppen hätte schlürfen müssen – schmeckt ja auch wirklich nicht jedem, das Zeug, von der verbreiteten Homophobie bei den Jungs ganz abgesehen.
Die meisten Herthafans können sich gar nicht mehr daran erinnern, wie es ohne Dieter bei Hertha zugegangen ist, und das ist auch gut so.
Aus einem tiefen Tal der Tränen, indem nicht viel mehr als ein paar angestaubte Traditionen übrig geblieben waren, führten die Millionen der Bertelsmann-Tochter Ufa Hertha zurück in die Erstklassigkeit und zu einer Professionalisierung der Strukturen in der Vereinsführung.
Dieter Hoeneß war dabei nur dritte Wahl, es hätte auch viel dicker kommen könne, die Ufa wollte zuerst Reiner Calmund, der für 800 000 Mark Jahresgehalt an die Spree gelockt werden sollte, aber nach eigener Aussage („Sogar ich kann bloß zwei Koteletts am Tag essen.“) noch bekloppter als ein halbes Dutzend ist.
Auch Uli Hoeneß („Ich bin mit dem FC Bayern quasi verheiratet“) wollte die Hertha nicht sanieren, ließ aber immerhin den Erlös aus einem Freundschaftsspiel springen, um seinen kleinen Bruder versorgt zu sehen.
Seltsamer Weise waren nur Kandidaten vom Typ „Blonde Bestie“ gefragt, das sind die, die mit einem Knüppel übern Schädel noch lange nicht vom Platz gehen, obwohl Dieter als Kopfballungeheuer auch nur zweite Wahl war, hatte er am Ende aber die Platte vorn.
Vom Wedding nach Westend
Als erste Amtshandlung wurden erstmal die Wurzeln an der Plumpe gekappt bei dem Versuch, den Verein nachhaltig zu entprollen, dass dabei die Seele des Vereins auf der Strecke blieb, wurde von den sportlichen Anfangserfolgen gnädig überdeckt.
Jürgen Röber als Cheftrainer schien der einzige gewesen zu sein, der fußballerisch mit Dieter auf einer Linie gelegen hat, auf ein tragendes Konzept nebst Strukturen für deren systematische Umsetzung wurde verzichtet und obwohl das Hertha-Internat, das talentmäßig aus dem Vollen schöpfen kann und schon einige Spitzenkicker hervor gebracht hat, deren Kindereien allerdings immer noch Schlagzeilen produzieren, wird die pädagogische Leitung von Krücken bestimmt.
Kaderstimmung
Die Anmutungen, die die Spieler- und Trainerverpflichtungen von Dieter bei mir hinterlassen haben, erinnern stark an das Computerspiel Bundesliga-Manager und wie es von Halbwüchsigen gespielt wird: Alles kaufen, was gut und teuer und gerade zu haben ist, dazu einen viel versprechenden Trainer engagieren, dem bei Bedarf wie üblich die Schuld am Scheitern gegeben wird und von hinten die volle Kontrolle ausüben.
Als nahezu genial muss dann die Hinwendung zur brasilianischen Fußballkunst gewertet werden, die größten Zicker von Alex Alves, der keine nähere Erläuterung benötigt, bis André Lima, der noch 2 Jahre Vertrag hat, weg will aber zu teuer ist, als Direktimport. Dieter konnte sich dabei als ganz große Nummer der Fußballwelt darstellen und man wundert sich fast, warum er noch nicht bei Thomas Gottschalk mit der Wette, alle größeren Küstenstädte zwischen Belém und Porto Alegre am Geruch der Puffmutter erkennen zu können, aufgetreten ist.
Dass die letzten brasilianischen Schnäppchen Kaká und Rodnei, kantige Innenverteidiger der hüftsteifen Art aus der portugiesischen Provinz und den masurischen Sümpfen gekommen, an Eleganz, Spielwitz und Ballsicherheit aber auch alles schuldig bleiben, nährt den Verdacht, dass es sich eher um Gesellschaft für die anderen Brasilianer handelt, die leicht von Heimweh befallen werden, besonders im Winter. Bei einem halben Dutzend Sambakickern lohnt sich das dann auch mit dem Dolmetscher.
Am deutlichsten trat die Unfähigkeit von Dieter in dieser Beziehung aber zu Tage, als er Giovane Elber, der bei den Bayern ausgemustert wurde, nicht verpflichten konnte.
Dreiecksspiel
Zu Fredi Bobic, dem Schnäppchen des Jahres 2003 und der Diva Marcelinho hätte Elber die ideale Ergänzung sein können, wenn man schon auf brasilianische Fußballer setzt, sollte man einen dabei haben, der für die anderen bei der Eingewöhnung wegweisend sein kann, mal davon abgesehen, dass er als alter Kumpel von Fredi eine Aufmunterung für den von starken Stimmungsschwankungen geplagten Marcelinho hätte sein können.
Im Zusammenspiel hätten sie ein „Magisches Dreieck“ wieder auferstehen lassen und eine Fliesband basierte Torfabrik implementieren können, wenn Huub Stevens dabei mitgespielt hätte, der zu Marcelinho passte wie konkav zu perplex. Sicherheiten gibt es in dem Geschäft natürlich nicht, nur Selbstsicherheiten aber damit könnte Dieter auch ein paar Filialen aufmachen.
Dass brasilianischer Ballzauber flankiert von balkanesischer Laufarbeit geradewegs zu Titeln führen kann, hat man gestern im Uefa-Cup-Endspiel Donezk gegen Werder exemplarisch begutachten können, quälender wurde sein Fehlen bei Werder noch nie vermisst.
„Ticket des Grauens“
Die Schussfahrt zum Saisonfinale mit der Eintrittskarte des Schreckens mitten hinein in die Hölle des badischen Elends lässt bekanntlich den letzten Kick vermissen, für die Sonderfahrt des Meisterschaftszuges wurden die Billets nicht geknipst, was die Partie glücklicher Weise nicht völlig entwertet. Beide Teams müssen dringend gewinnen, ich rechne mit dem Schlimmsten: Paralyse gegen Schockstarre.
Hertha hat aber Alles selbst auf dem Fuß, selbigen in die Champions League Tür zu bekommen, und mit einem Sieg der Wölfe über waidwunde Werderaner tut die verpasste Chance schon gar nicht mehr weh.
So kann man sich immerhin damit trösten, dass man nicht mit ansehen muss, wie Dieter einen völlig unverdienter Maßen mit der Meisterschale in den Händen aus allen Bildschirmen und Gazetten in unerträglichster Weise angrient, natürlich nicht ohne vorher im freien Wildpark als Tanzbär Hertinho per Samba den Rasen zweitligatauglich gesteppt zu haben.
Womit der KSC sich dann auch ein ganz kleinwenig Trost spenden kann.
22. Mai 2009 um 12:17
Prost Herr Schiedsrichter, zeitlich liegen Sie mit ihrem Blog weit vorne – ein Nachruf 1 Jahr (?) vor Ende des Vertrages von Dieter Hoeneß als regierender Mittelstürmer von Hertha BSC.
29. Mai 2009 um 13:21
Wenn man an Dieter Hoeneß denkt, fällt einem immer als erstes Herthas gewaltiger Schuldenberg ein. Wie konnte es nur zu den zwischenzeitlich um die 50 Millionen Euro Schulden kommen? Da sind im Management zu viele Fehler gemacht worden. Aktuell sollen Herthas Verbindlichkeiten ja „nur noch“ 30 Millionen Euro betragen. Da stellt sich die Frage: Wie viele sportliche Erfolge müssen in den nächsten Jahren erbracht werden, um diesen Schuldenberg abzutragen?
Im Vergleich zu Hertha erwirtschaften andere Bundesligavereine zum Teil erhebliche Transfereinnahmen. Werder Bremen: 25 Mio für Diego; VfB Stuttgart: 30 Mio für Gomez; HSV: 19 Mio für Nigel de Jong …
Mit lukrativen Spielerverkäufen hat Hertha einfach zu wenig Einnahmen erzielt. Ist die Hertha ein Fall für den RTL Schuldnerberater Peter Zwegat ? 🙂 Man stelle sich Zwegat am Flipchart vor, wie er Herthas Verbindlichkeiten addiert und Dieter Hoeneß den Weg aus der Schuldenfalle aufzeigt. Die Einschaltquoten wären sicherlich der Hit.
Pingback: Aufbruch in die Post-Hoeneß-Ära? | Welt Hertha Linke - Hertha BSC Berlin Blog
7. Juni 2009 um 13:08
Welches Vögelchen hat denn nur am 21. Mai 2009 dem Herrn Schiedsrichter seinen prophetischen Text ins Ohr geflüstert? Nach allen Berichten der letzten Tage in Berliner Zeitungen scheint es schon beschlossene Sache, dass Dieter Hoeneß vom Aufsichtsrat die (Änderungs-)Kündigung bekommt.